Ich habe nichts zu verbergen

Oftmal hört man den Satz „Ich habe nichts zu verbergen.“
Doch stimmt das? Wenn ja, warum nennen sie mir dann nicht einfach ihren Wohnort und ihr aktuelles Einkommen? Ihre sexuelle Vorlieben würd ich auch gerne wissen.
Was? Sie mögen ihren Chef nicht? Wenn sie nichts zu verbergen haben, können sie es ihm doch sagen?

Privatsphäre ist wichtig

Man sieht schnell wohin das führt. Es gibt gute Gründe warum es eine Privatsphäre gibt.
Jeder hat etwas zu verbergen. Mal sind es ganz offensichtliche Sachen wie ob jemand schwul ist oder auf SM steht. Oder die Abneigung die man gegenüber anderen Personen empfindet. Mal sind es weniger offensichtliche Dinge wie dass man die neue Frisur des Freundes/der Freundin kacke findet. Auch erzählt man nicht jedem wie viel Geld man verdient oder welche politische Partei man wählt. Es geht niemanden etwas an über was man mit seinen Freunden redet oder was man mit seinem Freund/Freundin bespricht.
Privatsphäre, das kann mit Der-Teil-meines-Lebens-der-niemand-etwas-angeht übersetzt werden. Also der Teil eines Lebens, den man vor anderen verbirgt, vor anderen fern hält.
Privatsphäre schützt uns vor Mobbing, sie schützt Minderheiten jeglicher Art vor der Mehrheit. Sie sorgt mit dafür dass wir unser Leben ausleben könnnen, inklusive der Dinge die die gesellschaftliche Mehrheit nicht befürwortet.
Und sie schützt uns vor einem übermächtigen Staat. Nur wenn der Staat seine Bürger nicht kennt kann er sie nicht kontrollieren. Wissen ist Macht und je mehr der Staat über seine Bürger weiß, desto mehr Macht hat er über sie. Folglich sollte es in einer gesunden Demokratie so sein, dass der Staat nichts über die Bürger, die Bürger aber alles über den Staat wissen.

Ungeahnte Möglichkeiten

Doch die aktuelle Entwicklung der Datensammelwut der Unternehmen und Geheimdienste steht diametral dem Prinzip der Privatsphäre gegenüber. Big Data, also das Sammeln unglaublich großer, möglichst vollständiger Daten, lässt Wirtschaft und Staat immer genauere, immer individuellere Vorhersagen treffen:

Durch kleinste Veränderungen des Kaufverhaltens können Werbefirmen (und Geheimdienste) erkennen ob eine Kundin schwanger ist, sowie den ungefähren Geburtstermin des Babys ermitteln. Aus völlig banalen sozidemographischen Daten (Daten wie Geschlecht, Alter, Religion, Beruf) lässt sich vorhersagen wie verlässlich ein Individuum seine Medikamente einnimmt.
Aus den Freunden die du bei Facebook hast lässt sich vorhersagen ob du homosexuell und/oder ein Scheidungskind bist, wo du ungefähr wohnst und welchen Sport du wahrscheinlich betreibst.
Eine Reihe von Bundesstaaten in den USA nutzen Datenanalysen um vorherzusagen mit welcher Wahrscheinlichkeit ein vorzeitig enlassener Häftling in den nächsten 12 Monaten wieder in eine Schießerei verwickelt sein wird.

Man sieht: Daten sind Macht. Eine unglaubliche Macht. Mithilfe von völlig banalen Daten können Werbefirmen und Geheimdienste (und damit Staaten) in die Köpfe der Bürger schauen, herausfinden wer sie sind und was sie denken.
Deshalb muss jeder, sowohl aus sozialer wie auch aus politischer Perspektive, seine Privatsphäre schützen und sie vor der ausufernden Überwachung verteidigen. Jeder hat etwas zu verbergen.


Der Überwachungsstaat

Kurzes Video über die aktuelle Entwicklung