Überwachung ist Alltag

NSA verwanzt EU-Vertretungen + Steinbrück unterstellt Merkel mitwisserschaft + BND hat Zugriff auf DE-CIX +

Das Entsetzen der europäischen Politik war groß. „Von der Kernschmelze des Rechtsstaates“ war plötzlich die Rede. Worte wie „unterträglich“, „abscheulich“ und „US-Sicherheitssyndrom“ waren plötzlich im Umlauf. Die Nachricht über die Überwachung von EU-Botschaften durch die NSA rüttelte die Politik auf.
Wirklich? Ist diese ganze öffentliche Aufregung nur gespielt? Wie viel wussten die Regierungen? Wie viel der BND? Müsste nicht die Politik bei einem so großen Eingriff in die Bürgerrechte und Dipolomatie geschlossen aufschreien, statt sich in „müssen Faktenlage noch abchecken“ und Briefchenschreiben flüchten?
Die Kanzlerin schweigt. Zum größten Überwachungsskandal der Geschichte schweigt die deutsche Bundeskanzlerin. Und unser Innenminister macht einen auf gemobbtes Schulkind:

Wenn der Verdacht sich bestätigen sollte, dass die Amerikaner die Bundesregierung und deutsche Botschaften ausspioniert haben, wäre eine Entschuldigung unausweichlich.

Eine Entschuldigung wäre also unausweichlich. Glückwunsch Herr Friedrich, den Amis haben sie’s gezeigt! Aber auch die sogenannte Opposition trumpft mit Merkwürdigkeiten auf. Gabriel etwa warf der Kanzlerin vor, von den Spähaktionen gewusst zu haben. Sie etwa nicht Herr Gabriel? War nicht ihr aktueller Franktionsvorsitzener Frank-Walter Steinmeier genau während der Zeit als das NSA-Überwachungsprogramm Echelon hochblubberte und in der Zeit nach dem 11. September Beauftragter der Nachrichtendienste?
Und überhaut, ist der BND tatsächlich so voller Pappnase dass sie nicht gemerkt haben was abgeht?

Nein, sind sie nicht. Es ist Aufgabe eines Geheimdienstes genau darüber informiert zu sein was auf der Welt passiert, also auch, wer welche Kapazitäten hat. Viel wahrscheinlicher ist dass die NSA Unterstützung durch deutsche Geheimdienste hatte. So wird selbst von offizieller Seite nur der Zugriff der amerikanischen Geheimdienste auf den Internetknoten DE-CIX verneint. Der Zugriff des BNDs jedoch nicht.

Echelon Überwachungszentrum der NSA - CC-BY-NC-ND BY:  Koen Colpaert

Echelon Überwachungszentrum der NSA – CC-BY-NC-ND BY: Koen Colpaert

Es liegt in der Natur der Geheimdienste immer alles wissen zu wollen, immer das zu tun was technisch möglich ist. In der Stasi-Zeit waren es 40 gleichzeitig überwachte Telefone, heute sind es 20 Millionen Telefonverbindungen und 10 Millionen Internetdatensätze pro Tag. Der Antrieb bleibt derselbe. Und auch bei der Überwachung der Botschaften ist nicht davon auszugehen dass die NSA hier alleine ist. Auch die Bundesregierung wird gerne wissen wollen was die Gegenseite für Argumente aufbringen wird.

Die genauen Details kennen wir nicht. Wir können nur vermuten. Und hier liegt das Problem. Wir haben inzwischen einen Staat der über seine Bürger (fast) alles weiß, diese aber nichts über ihn. Dieser Umstand ist eine Bedrohung für die Demokratie.
Jeder Bürger ist inzwischen Erpressbar, denn der Staat ist in der Lage innerhalb kürzester Zeit intimste Details über jeden herauszufinden und – dank Algorythmen – auch in seine Zukunft zu blicken. Noch wird dies nicht tatsächlich betrieben. Doch jedes Regime begründet seine Taten mit dem Schutz und Wohlstand seiner Bürger. Und wer weiß welche Ungeheuer die nächste Angstwelle hervorrufen wird?
Und wie kann sich der Bürger der Allmacht der Geheimdienste entziehen? Vor allem wenn ihm die eigene Regierung in der Rücken fällt? Klar, Verschlüsselung und Open Source sind ein Weg. Aber was ist mit den Errungenschaften der digitalen Revolution. Das ganze Sharen, Verlinken und Verbreiten braucht Plattformen. Müssen wir dieses Tätigkeiten wieder einstellen, wieder einen Schritt zurück machen um unsere Demokratie und unsere Freiheit zu schützen?